Titelbeschreibung: E-Book

40 N. Hornby: Just like you (übers. v. S. Kleiner)

Nick Hornby

Just like you
(übers. v. Stephan Kleiner)

Kiepenheuer & Witsch

Sie (Lucy): 42, weiß, 2 Kinder, getrennt lebend von ihrem alkoholkranken Mann Paul, Lehrerin und Fachbereichsleiterin für Englisch an einer Londoner Mittelklasse-Schule.
Er (Joseph, nicht Joe): 22, schwarz, Aushilfsmetzger, Sportstudium abgebrochen, Freizeit-Fußballlehrer, Gelegenheitsrapper, lebt bei seiner Mutter.

Dann passiert es. Sie kennt ihn vom samstäglichen Fleischeinkauf. Und sie engagiert ihn als Babysitter für Dylan und Al, ihre beiden Söhne, Xbox- und FIFA-Fans. Was deutet sich da an nach dem vermasselten Blind-Date mit diesem Ted? Der ist „vielleicht fünf Jahre älter als sie und weder unattraktiv noch besonders gut aussehend … Nur das Hemd, das leider schwarz und ein Blumenmuster hatte, gab Anlass zur Besorgnis.“ (S. 24) „Lucy war nicht jung, das wusste sie. Sie hatte etwa ihr halbes Leben hinter sich. Aber so alt war sie doch nun auch wieder nicht.“ (S.34) - Auch die Treffen mit dem Autor Michael Marwood bringen Lucy nicht weiter. Man schaut sich angesagte Filme an, isst gemeinsam, hört zusammen Musik, diskutiert über aktuelle Themen, aber da ist nichts ‚hot‘ in ihr. Wie anders, als sie Joseph nach einem langweiligen Abend, den sie mit Marwood verbracht hat, aus ihrer Wohnung verabschieden will: „Er setzte sich wieder und küsste sie, und der Rest ergab sich.“ (S. 129) Ein mehr als ungleiches Paar hat sich gefunden, zumindest für eine gewisse Zeit. Denn ewig kann das ja nicht dauern, bei dem Altersunterschied. Für die Zeit, in der Großbritannien über den Brexit abstimmt, Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt wird und sich an Lucys Schule die Gerüchte um ihre völlig unangemessene Affäre mit einem jungen Schwarzen wie ein Lauffeuer verbreiten.

Nick Hornby hat zurückgefunden zu alter Klasse. Was mit Fever Pitch grundgelegt, mit High Fidelity vorangetrieben und mit About a Boy perfektioniert wurde, genau das macht die Qualität von Just like you aus: Tempo, Charme, Witz, Verständnis und Menschenfreund-lichkeit. Sowohl - als auch / Ja - aber / Nein - aber unter Umständen vielleicht - derlei Wendungen könnten als Musterphrasen für die Grundstimmung des Romans angeführt werden. Ein Gefühl von ‚dauernd-irgendwie-dazwischen‘ macht die ständige Spannung im Roman aus. Da nimmt es auch nicht wunder, dass Joseph, hin und her gerissen zwischen Ablehnung und Befürwortung des Brexit, am Tag der Abstimmung gleich zwei Kreuze macht: dafür und dagegen. So ist eben die Welt. Nicht eindeutig. Nie. Und wer jemals klare Vorstellungen vom Leben hat, Maximen, nach denen er sein Leben ausrichtet, wer immer weiß, was gut oder was falsch ist, der hat gar nichts begriffen. ‚Man spürt die Abwesenheit von Wärme, ohne die die Anwesenheit von Kälte zu empfinden‘. So Lucys Gedanken beim ersten Treffen mit Josephs Mutter. Erst im dritten und letzten, mit nur 10 Seiten auch kürzesten Teil des Romans deutet der (allwissende) Erzähler eine mögliche Lösung aller Konflikte an. Ob die jedoch funktionieren wird? Man „muss schauen.“ (S. 381)

Warmherzig und komisch erzählt Nick Hornby den Liebesroman Just like you, der fast ausschließlich in Dialogen präsentiert wird. Kontemplation und Beschreibung sind nicht Hornbys Ding. Dialoge treiben die Handlung voran, die mit den üblichen Klischees (Vernunft verbietet Lucys Liebesbeziehung, Jugend und Alter vertragen sich auf Dauer nicht, Intellekt verbindet sich nicht mit Physis usw.) so sehr spielt, dass die erzählte (ausgesprochen heitere) Leichtigkeit die  existenzielle Schwere der Themen (Jung liebt Alt, Schwarz liebt Weiß) scheinbar gänzlich in den Hintergrund treten lässt. Drei Textbeispiele sollen dies veranschaulichen:

Zusammen mit Michael schaut sich Lucy im Kino das Melodram ‚Zartbesaitet‘ an. Die Episode endet mit dem Hinweis: Wenn „man beinahe zwei Stunden lang dem wehmütigen Klang der Laute gelauscht hatte, [wollte] man sämtliche Lauten im Land einsammeln und in einem gewaltigen Freudenfeuer verbrennen.“ (S. 89) Wahrlich kein besonders gelungener Auftakt für einen Abend, der gemäß ursprünglicher Planung eigentlich zärtlich in Lucys Bett enden soll. 

Wenig später sitzt auch Joseph mit einer Freundin (Jaz) im Kino. „Das Plakat zeigte einen Metzger in einer blutigen Schürze mit einem Fleischerbeil in der Hand. Seine Augen waren rot. «Hoffentlich geht es um einen Metzger, der vom Teufel besessen ist und Menschen zerlegt». Es sollte ein Witz sein … Glücklicherweise drehte sich der Film tatsächlich um einen vom Teufel besessenen Metzger“. (S. 107) Kann eine Beziehung Zukunft haben, wenn derlei Filme ihre Grundlage bilden?

Während einer Aufführung von Shakespeares ‚Wie es euch gefällt‘ denkt Joseph (er hatte Lucy die Eintrittskarten zum Geburtstag geschenkt): „Hätte Gott gewollt, dass man noch ins Theater ging, hätte er das Fernsehen nicht erfunden.“ (S. 294) Noch Fragen?!

Wäre Just like you ein Stück Brit-Pop, dann könnte ich schreiben: Hornby versammelt das Beste von The Cure, Oasis und Radiohead in einer nie gehörten Mischung. – Aber was rede ich: Lesen Sie selbst …

 

ISBN 978-3-462-00039-0

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© Peter Cremer / November 2020

40 N. Hornby: Just like you (übers. v. S. Kleiner). 2021, 978-3-462-00039-0 [ISBN]


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